Das GPS-Signal wird massiv gestört mit Folgen für Verkehr und Infrastruktur
Im Ostsee-Raum fällt jetzt öfter mal die Satelliten-Navigation aus. Wissenschaftler suchen die Ursache und finden massive Störquellen.
Dichter Schiffsverkehr auf der Ostsee. Doch gerade hier fällt immer wieder die Satellitennavigation aus. Es gibt Störsender.
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Schiffe fahren plötzlich an Land. Autos auf dem Acker. Und Flugzeuge müssen mit alternativen Systemen die Landung planen. Im Ostsee-Raum ist die Satellitennavigation massiv gestört. Schon seit anderthalb Jahren immer wieder mal. Seit September aber verstärkt. Und diese Störungen betreffen sowohl das amerikanische GPS als auch das europäische Galileo-System. Beide arbeiten schließlich auf den gleichen Frequenzen. Sie ergänzen sich sozusagen. Jetzt haben beide aber ein Problem.
Diese Ausfälle sind weder zufälligen Beobachtungen, noch handelt es sich dabei um ein technisches Versagen, erklärt Florian David. Er leitet das Institut für Kommunikation und Navigation im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Nicht die Satellitennavigation fällt aus, sondern der Empfang der Satellitendaten wird gestört.“ Und dies beschränkt sich nicht nur auf den Ostsee-Raum, sondern wird in vielen Krisenregionen der Welt derzeit beobachtet.
Mit Messflugzeugen war das DLR über der Ostsee und dem Mittelmeer unterwegs. Die Fakten sind erschreckend. Zeitweise war selbst am Flughafen Helsinki kein GPS-Signal verfügbar. Auch das hat das Team von Florian David mit den Messflügen dokumentiert. Starten und landen konnten die Flugzeuge dennoch. Dafür gibt es alternative Navigationstechniken für Flugzeuge mit Radar, Sensoren und bodengestützten Leitstrahlen. Wenn das Navi indes im Auto mal ausfällt, ist das hingegen nicht lebensbedrohlich. Bedrohlich aber wird es schon, wenn Schiffe nicht mehr ihre exakte Position durchgeben können und das in vielbefahrenen Wasserstraßen. So in der Ostsee zum Beispiel, aber auch im Suezkanal und um Syrien herum, berichtet David.
Die Ursachen für diese Störungen sind nicht im All, sondern auf der Erde. Die Messflüge des DLR haben gezeigt, dort findet ein bewusstes Überstrahlen der GPS-Signale statt. „Das scheint ganz gezielt in den Krisenregionen zu geschehen“, sagt Florian David. Die Wissenschaft hat auch Kenntnisse dazu, woher diese Störungen kommen. „Ja, dies kann man lokalisieren.“ Politische und militärische Gründe sprechen jedoch dagegen, die Absender der Störungen zu benennen.
Nur so viel: Die eigenen Militärs sind es nicht. Dies war vor 10, 20 Jahren noch ganz anders. Damals hatten die USA ihre Systeme in Krisenzeiten bewusst unscharf gestellt. Nur das amerikanische Militär hatte dann die exakten Satellitendaten mittels Decodierung. Das macht jetzt allerdings keinen Sinn mehr, da es auch andere Navigationssysteme gibt. Das zivile europäische Galileo zum Beispiel. Und auch das russische Glonass. Ob dieses ebenfalls gestört wird, dazu hat das DLR keine Erkenntnisse.
Die Satelliten von GPS und Galileo befinden sich in mehr als 20.000 Kilometern Höhe. Deren Signale sind extrem schwach, wenn sie die Navigationsgeräte auf der Erde erreichen. Vom Boden her ist es daher gut möglich, diese Signale zu überstrahlen. „Das ist mit vergleichsweise einfachen Mitteln möglich.“ Geräte, die auf kurze Distanzen wirken, sind im Internet schon für wenige Euro zu bekommen. „Womit wir es hier aber zu tun haben, das sind sehr große Anlagen mit großer Leistung.“ Bis nach Deutschland reichen die Störsender derzeit allerdings nicht.
Aus amerikanischen Messdaten geht zudem hervor, dass zusätzlich auch falsche Signale gesendet werden. Also von Land aus wird ein Satellit vorgetäuscht, den es gar nicht gibt. Die Folge davon, die Position springt von einer Position zur anderen. Schiffe fahren dann plötzlich auf Land, so zeigt es das Navi zumindest. Aber auch Schiffe haben so wie Flugzeuge ergänzende Systeme zur Navigation. Die einzig gute Botschaft bei all dem ist: „Diese Störungen sind zwar unschön, haben derzeit aber keine dramatischen Folgen.“ Was ja aber nicht so bleiben muss.
Diese kritische Infrastruktur ist gefährdet
Diese Störungen sind bisher regional begrenzt. Vorstellbar sei aber, das die Systeme direkt angegriffen und beschädigt werden, sagt Florian David. „Mir sind keine solchen Fälle bekannt. Das wäre dann schon ein kriegerischer Akt.“ Satellitennavigation zählt inzwischen zur kritischen Infrastruktur. Da geht es um weit mehr als Flugzeuge und Schiffe. Die Daten der Satelliten enthalten extrem genaue Zeitsignale, die von Atomuhren kommen. Diese Zeitsignale werden inzwischen von zahlreichen Branchen genutzt. Rasant ging diese Entwicklung, und schneller als erwartet. „Es ist kaum überschaubar, was davon alles abhängig ist“, sagt Florian David. Große Server, das Internet, die Synchronisation von Stromnetzen, die Telekommunikation und Finanzmärkte.
„Ein kompletter Ausfall dieses Systems würde sehr weitreichende Folgen haben, sodass man sich damit befassen muss, wie man diese Systeme härtet. Wie man sie vor Angriffen schützt.“ Dazu forscht auch das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation. „Neue Satelliten müssen weniger verwundbar sein. Das ist eines der Themen in unserem Institut.“
Als die heutigen Systeme erdacht und gebaut wurden, war dies noch nicht das Thema. Da sollte diese neue Technologie überhaupt erst einmal zum Laufen gebracht werden. Wie schnell und wie weit sich die Satellitennavigation dann aber maßgeblich in Wirtschaft und Gesellschaft als unverzichtbar etabliert hat, verblüfft selbst die Wissenschaft. Da besteht dringender Handlungsbedarf. „Es gibt bereits Ideen dafür, auch aus unserem Haus.“
Sichere Satelliten geplant
Es geht um die nächste Generation der Galileo-Satelliten, die ersten mit einem neuen Sicherheitskonzept. Voraussichtlich 2026 wird der Auftrag dafür erteilt. Zwei, drei Jahre später sind sie im All. Die andere Chance wäre: „Wir härten die Empfänger, sodass sie gegen solche Störungen unempfindlich sind“, erklärt Florian David. Diese können dann sowohl Störungen als auch bewusst falsche Signale unterdrücken. „Da gibt es bereits Lösungen, die nahezu marktfähig sind und die wir in den nächsten Jahren zum Produkt machen.“
Keine fünf Gehminuten vom DLR-Institut entfernt befindet sich das Kontrollzentrum von Galileo. Es gibt zwei davon. Das andere befindet sich bei Rom. Beide Kontrollzentren arbeiten ständig parallel auf vollem Betrieb, aber nur eines steuert aktuell die Satelliten. „Heiße Redundanz“ nennt sich das. Und im Falle eines Ausfalls wäre so ohne geringste Unterbrechung die Übergabe möglich. Auch diese Kontrollzentren zählen zur kritischen Infrastruktur. Sie sind gut geschützt.
Beitrag vom: 22.01.2024
Quelle: Sächsische Zeitung
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